Eine Wunderkerze

Vorsätze sind Mehrwegflaschen

13.01.22 Kurz nach dem Auftakt des neuen Jahres berichtet unsere Moderator:in Nora über die guten Vorsätze zum Jahreswechsel und warum es manchmal nicht so leicht ist, diese das ganze Jahr lang beizubehalten.  
#vorsätze #neuesjahr #selbstwirksamkeit #motivation #selbstvertrauen

Die Korken knallen, es wird angestoßen. „Frohes neues Jahr“, rufen alle wie aus einem Mund. Alle fallen sich freudestrahlend in die Arme. Das Jahr 2021 wird verabschiedet und das Jahr 2022 wird hoffnungsvoll begrüßt. Feuerwerk und Raketen erhellen die Nacht. Wie bei jedem Jahreswechsel nehmen wir uns alle Großes vor. Jedes Jahr auf‘s Neue machen sich Millionen Menschen die berühmt berüchtigten Neujahrsvorsätze. Jedes Jahr schwören wir uns, dass wir sie in diesem Jahr auch tatsächlich in die Tat umsetzen. Am Ende jeden Jahres wird Bilanz gezogen. Das Fazit: Vorsätze sind wie Silvesterraketen. Sie fliegen mit großem Knall in die Luft, schillern und leuchten für einen Augenblick  in allen Farben des Regenbogens und verpuffen dann in der Dunkelheit ohne eine einzige Spur zu hinterlassen. Warum fällt es uns so schwer, unsere eigens gesetzten Ziele in die Tat umzusetzen? Wie können wir unsere flüchtigen Vorsätze nachhaltig in unser Leben integrieren?

Etwa ein Drittel der Deutschen machen sich laut einer Umfrage Vorsätze für das neue Jahr, Laut Statista gaben im November 2021 51% der Befragten an, dass sie für das Jahr 2022 den Vorsatz haben, mehr Sport zu treiben. 49% wollen sich gesünder ernähren, 42% wollen abnehmen und ebenfalls 42% möchten gern sparsamer leben. 39% der Befragten nehmen sich vor, im Jahr 2022 mehr Zeit mit der Familie und mit Freunden zu verbringen.Doch Statista zeigt auch: mehr als zwei Drittel der Menschen schaffen es nicht, ihre guten Vorsätze langfristig einzuhalten.

In unserem Alltag sind viele unserer Verhaltensweisen automatisiert und ohne großes Nachdenken ab, es sind Gewohnheiten. Dadurch sparen wir uns begrenzte kognitive Kapazitäten, verlieren aber auch schnell den Blick für neue Informationen (Jager, 2003). Zwar wissen wir, dass es nicht optimal für unsere Gesundheit ist, den ganzen Abend auf der Couch zu liegen und Netflix zu schauen, aber zum Sport gehen wir trotzdem nicht. Kurzfristig gesehen belohnt uns der entspannte Abend vor dem Fernseher mehr und wir blenden die langfristig positiven Aspekte eines bewegungsreichen Alltags aus.

Um ein Verhalten erfolgreich zu verändern sind laut Bandura (1982) zwei Faktoren von großer Bedeutung. Zum einen die Erwartung an das Ergebnis und zum anderen die Erwartung an unsere Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeitserwartungen bezeichnen dabei Erwartungen in Bezug auf unsere eigenen Fähigkeiten, das gewünschte Verhalten auszuführen (Strecher, McEvoy DeVellis, Becker und Rosenstock, 2004). Es konnte gezeigt werden, dass unsere Selbstwirksamkeitserwartung maßgeblichen Einfluss darauf nimmt, wie wir uns tatsächlich verhalten (Bandura, 1982, Strecher, McEvoy DeVellis, Becker und Rosenstock, 2004). Haben wir die Erwartung, dass unsere eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausreichen, um eine Verhaltensänderung herbeiführen und aufrechterhalten zu können, werden wir mehr Aufwand betreiben und unsere Vorsätze auch bei Schwierigkeiten beibehalten (Bandura, 1982). Die Fähigkeiten, unsere Vorsätze zu realisieren, besitzen wir. Wir brauchen nur die Überzeugung, dass wir sie nutzen können, um das zu erreichen, was wir wollen.

Eine Studie von Glasgow, Klesges, Mizes & Pechacek (1985) konnte außerdem zeigen, dass das Nutzen von Strategien der Selbstbelohnung und positive Selbstaussagen, den Erfolg von Verhaltensänderung maßgeblich verbesserten. Negative Selbstaussagen hingegen, wobei man sich selbst die Schuld gibt oder sich selbst abwertet, verschlechtern die Erfolgschancen von Verhaltensänderungen (Glasgow et al., 1985, Norcross, Ratzin & Payne, 1989). Anstatt uns also zu sagen, dass wir ein Versager sind, wenn wir wieder nicht zum Sport gehen oder wieder Pizza statt Salat essen, sollten wir uns selbst lieber auch für kleine Erfolge bestärken. Zwei Tage hintereinander die 10000 Schritte geschafft, gestern Abend mal den Fernseher ausgelassen und zum Buch gegriffen. Die Aufmerksamkeit auf das Lenken, was gut läuft.

Die Vorsätze, die wir uns am Silvesterabend setzen, sollen unser Leben am besten von heute auf morgen um 180° wenden. Ein neues Jahr bedeutet schließlich auch ein neues Ich. Doch diese Motivation hält meist nicht nachhaltig an, da das neue Jahr schon bald die alten Gewohnheiten zutage bringt. Um Vorsätze in die Tat umzusetzen, braucht es daher eine realistische Bereitschaft für Veränderungen und positive Erwartungen in Bezug auf die Veränderungen. Auch ein angemessenes Kontingenzmanagement und Stimuluskontrolle können helfen langfristig Verhaltensänderungen aufrechterhalten zu können. Es muss nicht jeden Abend ein Salat sein. Einfach mal die beste Freundin oder den besten Freund schnappen und gemeinsam zum Sport gehen. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.

In dem Fitnessstudio, in dem ich neben dem Studium arbeite, haben wir uns gedanklich und personaltechnisch auf den großen Neujahrsansturm der Neuanmeldungen vorbereitet. Wie in jedem Jahr werden auch im Januar 2022 viele Menschen in die Sporteinrichtungen stürmen, um schon einmal einen Schritt in Richtung der Erfüllung des Neujahrsvorsatzes zu machen. Der zweite Schritt, tatsächlich Sport zu machen, wird von vielen aber nicht mehr gegangen. Am Ende fehlt vielleicht die Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Einhalten der guten Vorsätze. Und was wäre eigentlich so schlimm daran die Ziele vielleicht auch nochmal über Board zu schmeißen, weil sie vielleicht doch gar nicht so gut zu uns und zum neuen Jahr passen?! Vielleicht reicht es auch die Ziele etwas zu verändern und anzupassen… Denn wie sagte Manfred Hinrich: „Vorsätze sind Mehrwegflaschen.“

Literatur

Bandura, A. (1982). Self-efficacy mechanism in human agency. American Psychologist, 37(2), 122-147.

Glasgow, R. E., Klesges, R. C., Mizes, J. S., & Pechacek, T. F. (1985). Quitting smoking: Strategies used and variables associated with success in a stop-smoking contest. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 53(6), 905–912. https://doi.org/10.1037/0022-006X.53.6.905

Jager, W. (2003). Breaking ‘bad habits’: a dynamical perspective on habit formation and change. In: L. Hendrickx, W. Jager, L. Steg, (Hrsg.) Human Decision Making and Environmental Perception. Understanding and Assisting Human Decision Making in Real-life Settings. Liber Amicorum for Charles Vlek. Groningen: University of Groningen.

Nier, H.  (2019). Wie lang die guten Vorsätze halten. Abgerufen am 02.01.2022 unter: https://de.statista.com/infografik/amp/20354/zeitraum-den-die-befragten-ihre-guten-vorsaetze-einhalten/

Norcross, J.C., Ratzin, A. C. & Payne, D. (1989). Ringing in the New Year: The change processes and reported outcomes of resolutions. Addictive Behaviour, 14(2), 205-212.

Strecher, V. J., McEvoy DeVellis, B., Becker, M. H. & Rosenstock, I. M. (1986). The role of self-efficacy in achieching health behavior change. Health Education Quarterly, 13(1), 73-91. https://doi.org/10.1177/109019818601300108

Statistic Research Department (2021a). Umfrage in Deutschland zu Neujahrsvorsätzen 2021. Abgerufen am 02.01.2022 unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/952175/umfrage/umfrage-unter-deutschen-zu-neujahrsvorsaetzen/

Statistic Research Department (2021b). Umfrage in Deutschland zu den beliebtesten guten Vorsätzen für das Jahr 2022. Abgerufen am 02.01.2022 unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/952182/umfrage/umfrage-in-deutschland-zu-den-beliebtesten-neujahrsvorsaetzen/